Prof. Dr. K.-E.  Grund
Experimentelle Chirurgische Endoskopie
Universitätsklinikum
Tübingen
Neuartige Phantome für die Endoskopie
Prof. Dr. V. Aurich
Institut für Informatik
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf

Prof. Dr. med. K.-E. Grund entwickelt an der Universitätsklinik Tübingen neuartige, reale Phantome für Training und Forschung in der flexiblen Endoskopie. Dabei handelt es sich um Nachbildungen von Organen wie z.B. Darm, Magen, Bronchien, in denen man Eingriffe mit handelsüblichen Endoskopen trainieren kann. Aufgrund der gewebeähnlichen Konsistenz der verwendeten Substanzen können nicht nur diagnostische Eingriffe geübt werden, sondern auch alle üblichen Operationstechniken real durchgeführt werden.

Im Institut für Informatik der Uni Düsseldorf wird für diese Phantome Sensorik entwickelt, mit der man die momentane Situation des Trainings überwachen und visualisieren kann oder Komplikationen generieren kann. Desweiteren werden Tomographiedaten aufbereitet, um anatomietreue Modelle für diverse Organe zu erhalten.

Die Phantome sind nicht nur als Trainingsobjekt für Anfänger gedacht, sondern sollen auch dem Experten ermöglichen, schwierige Eingriffe vorab zu proben. Dafür kann bei Bedarf ein individuelles, patientenspezifisches Phantom erstellt werden.

Einzigartig sind die ERCP-Phantome, an denen man alle Eingriffe mit Originalinstrumenten trainieren kann. Um die Navigation der Instrumente in den Gallengängen zu üben, werden mit Hilfe der an der Uni Düsseldorf entwickelten Sensorik simulierte Röntgenbilder des Gallengangsystems berechnet, in denen man realitätsnah die Lage der eingeführten Instrumente verfolgen kann. Somit braucht man für das Training kein Röntgengerät!

Das ERCP-Trainings-Modell mit Röntgensimulation wurde ausgezeichnet mit dem
Stiftungspreis 2012 der Südwestdeutschen Gesellschaft für Gastroenterologie.

und dem

Boston Scientific-Innovationspreis 2013 der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Endoskopie und Sonographie (CAES)

Realistisches Training von endoskopischen Eingriffen an den Gallenwegen ohne Röntgenbelastung

Während endoskopische Untersuchungen von Magen oder Dickdarm ein geringes Risiko aufweisen, können endoskopische Interventionen in den Gallenwegen oder im Gangsystem der Bauchspeicheldrüse (ERCP) relativ häufig (in 5-10% der Fälle) schwere, teilweise lebensbedrohende Komplikationen auslösen. Die Höhe des Risikos hängt entscheidend von der Kompetenz und vor allem dem Trainingsniveau des Endoskopikers ab. Bisher wurde der Arzt meist durch rein diagnostische Untersuchungen an operative Interventionen herangeführt. Weil es mittlerweile jedoch eine risikolose diagnostische Alternative mittels Kernspintomographie (MRCP) gibt, verbietet es sich, die ERCP für rein diagnostische Zwecke einzusetzen. Damit fällt eine wesentliche Trainingsmöglichkeit für die ERCP weg. Der Endoskopiker kann somit nur noch bei operativ-therapeutischen Eingriffen üben, für die er eigentlich schon ausreichend trainiert sein sollte. Diese Situation stellt ein ernstes, bislang ungelöstes Problem für die Patientensicherheit dar; denn alle bisher verfügbaren Trainingsphantome (lebendes Tier, Biosimulator, verschiedene Plastik- Phantome, Virtual-Reality­-Simulatoren) erfüllen nicht oder jeweils nur in einzelnen Aspekten die Anforderungen an ein realitätsnahes Training. Im Gegensatz dazu erfüllt das von Prof. Grund entwickelte Tübinger ERCP-Phantom alle wesentlichen Trainingsanforderungen: An patienten-identischer Anatomie und in klinik-analogem Setting können alle Prozeduren - auch wiederholt - durchgeführt werden, und es können sogar individuelle Patientensituationen simuliert werden.

Allerdings ist es bei der ERCP unumgänglich, die Einführung von Instrumenten (Drähte, Katheter, Fangkörbchen, Zangen usw.) in die Gallenwege oder die Bauchspeicheldrüsengänge mit Hilfe von Röntgendurchleuchtung zu kontrollieren. Rein fur Trainingszwecke ist dies aber problematisch, nicht nur weil man ein spezielles, hochauflösendes Röntgengerät braucht und damit meist einen Röntgen-Raum oder OP-Saal belegt, sondern auch weil man die beteiligten Personen (Tutoren und Trainees) einer relativ hohen Strahlenbelastung nur für Trainingszwecke aussetzt und somit in Kollision mit den Vorschriften des Strahlenschutzes gerät.

Einen Ausweg bietet jetzt die in Düsseldorf entwickelte Simulation von Röntgendurchleuchtung bei der ERCP-Prozedur. Prof. Volker Aurich realisierte Sensoren, welche die Lage der Instrumente in den Gallenwegen erfassen, und sein Doktorand Matthias Vietz entwickelte Software, die aus einem Volumenmodell des Gallengangsystems im Phantom ein simuliertes Röntgenbild berechnet und darin die Instrumente in Echtzeit in Funktion darstellt. Zusätzlich hat die Informatikstudentin Duygu Özmen ein Subsystem entwickelt, das aufgrund des endoskopischen Bildes feststellt, ob die Position der Endoskopspitze für einen Gallengangseingriff überhaupt geeignet ist. Auf diese Weise können sowohl Endoskopieanfänger als auch Fortgeschrittene alle, auch therapeutische Eingriffe risikolos trainieren. Insbesondere entfällt gegenüber den herkömmlichen Trainingsverfahren jede Strahlenbelastung für Patienten und Untersucher.